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Flughafen Genf

20 Jahre SEV-GATA Genf: «Wir haben Schritt für Schritt ein Netzwerk aufgebaut»

Januar 2021: Mitten in der Pandemie kämpfen die Beschäftigten von Swissport Genf mit Würde gegen Dumpingverträge.

In Cointrin ist SEV-GATA seit 20 Jahren präsent. Im Juli 2017 löste die Integration des Personalverbands Push mit fast 500 Mitgliedern einen Beschleunigungsschub aus, und der SEV brachte sein gewerkschaftliches Know-how ein.

Seit den Anfängen von SEV-GATA (siehe auch Interview mit SEV-GATA-Präsident Philipp Hadorn mit Chronologie) gab es Mitglieder am Internationalen Flughafen Genf und bald auch eine Genfer Vertretung im SEV-GATA-Vorstand. Die meisten Mitglieder arbeiteten bei der Swiss. In Genf wurden regelmässig Versammlungen abgehalten. Mit der Integration von Push im Jahr 2017 hob die SEV-Präsenz in Genf ab. Um die letzten sieben Jahre zu bilanzieren, sprachen wir mit den drei Gewerkschaftssekretären, die chronologisch in Cointrin aufeinander folgten: Tony Mainolfi, Patricia Alcaraz und Pablo Guarino.

Wie kam es 2017 in Cointrin zur Integration von Push in SEV-GATA?

Tony Mainolfi: Push hatte drei GAV unterzeichnet, jene bei Swissport, Priora (woraus Engie hervorging, dann Equans der Bouygue-Gruppe) und ISS. Später übernahm Vebego den ISS-Vertrag. Am 1. Juli 2017 traten die Mitglieder des Personalverbands Push nach einer Abstimmung mit 99 % Ja-Anteil und der Zustimmung von SEV-GATA dem SEV bei. Das ursprüngliche Ziel bestand darin, dass der SEV seine Professionalität anbieten wollte, und Push mit seinen 500 Mitgliedern sollte es dem SEV ermöglichen, den Organisationsgrad in der Luftfahrt zu erhöhen. Die Herausforderung war ebenso spannend wie schwierig in einem Bereich, in dem der gewerkschaftliche Organisationsgrad niedrig und die Personalfluktuation hoch ist.

Patricia Alcaraz: Die Unternehmenswechsel und das Gerangel um Aufträge zeigen, dass wir es mit knallharten multinationalen Konzernen im Wettbewerb zu tun haben. Diese wollen sich meist nicht durch einen GAV binden, da Ausschreibungen oft durch Dumping auf dem Rücken von prekär Beschäftigten gewonnen werden.

Pablo Guarino: Wir sind von einem Verband, der von den Mitgliedern neben dem Vollzugskostenbeitrag fünf Franken pro Monat verlangte, zu einer Gewerkschaft übergegangen, die nach und nach 18 Franken 50 verlangte und ihre Arbeitsmethode grundlegend änderte. Wir machten Gewerkschaftsarbeit, wie wir sie im SEV kennen, indem wir die Mitglieder über die Vereinbarungen abstimmen liessen. Das war alles andere als selbstverständlich. Es gab einige Austritte.

Wie habt ihr euch in diesem eher feindseligen Umfeld organisiert?

TM: Aus den Treffen mit der Belegschaft entstehen Forderungen. Wir hatten eine aktive Basis in Genf. Es fanden regelmässige Kontakte mit den Unternehmen statt. 2018 wandten sich mehrere Kolleg:innen mit einfachen Fragen an uns oder baten um Begleitungen bei Streitigkeiten mit Unternehmen. Bei Swissport wandten sich die Beschäftigten der VIP-Lounges an uns. Ein Sammelbrief an die Geschäftsleitung, der von über 30 Beschäftigen – also fast allen – unterzeichnet wurde, brachte die Probleme mit den Vorgesetzten zur Sprache. Es ging darum, eine Funktionsweise einzuführen, die sich auf die Arbeit vor Ort stützt, sowie auf die Delegierten von den Unternehmen, um klare Mandate zu erhalten.

PA: 2019 waren es die Supervisoren von Swissport, die sich an uns wandten.

Die Pandemie verpasste dem Flugverkehr einen grossen Dämpfer …

PG: … und den Fortschritten bei den GAVs. Swissport zum Beispiel nutzte die Gesundheitskrise, um die Beschäftigten vor die Wahl zu stellen, entweder entlassen zu werden oder einen neuen Billigvertrag zu unterschreiben, was einen Monat lang zwischen Januar und Februar 2021 eine gewaltige Mobilisierung mit sehr vielen Versammlungen und Aktionen auslöste, mitten in der Pandemie. In Genf gab es viel weniger Entlassungen als in Zürich, denn in Genf haben sie den Aufschwung antizipiert – wobei wir trotzdem bis heute mit Problemen aufgrund unzureichender Personalplanung zu kämpfen haben.

Auf gewerkschaftlicher Ebene erlebten wir seit der Pandemie eine GAV-Kündigung, einen vertragslosen Zustand und kurzfristige «Krisen-GAVs», die sich aneinanderreihten, bis wir heute bei Swissport wieder bei einem GAV mit «normaler» Laufdauer angekommen sind. Aber es gab vier Jahre der Instabilität. Bei ISS gab es eine GAV-Kündigung und dann einen neuen GAV bei Vebego, den wir uns hart erkämpfen mussten. Equans wurde innerhalb kurzer Zeit von mehreren Firmen aufgekauft. Es gab also enorm viele Veränderungen in sehr kurzer Zeit. Das ist eine der Schwierigkeiten, wenn man es schafft, etwas Stabiles aufzubauen. Auch auf der Führungsebene gibt es schnelle Wechsel.

Wie sieht eure Siebenjahresbilanz aus?

TM: Es gab einen Kulturwandel. Push hatte keine wirklichen Strukturen, und alles beruhte auf zwischenmenschlichen Beziehungen, besonders um Henri-Pierre Mullner, der vor Ort anwesend und Vorstandsmitglied war und in den Ruhestand ging. Das änderte sich mit dem Beitritt zum SEV, der auf der Grundlage von Mandaten arbeitet, die formell von Versammlungen erteilt werden.

PG: Der SEV brachte in der Tat sein gewerkschaftliches Know-how ein. Unsere Kolleg:innen erhalten Einladungen zu Versammlungen, die Forderungskataloge erstellen, und können dann mit dem Stimmzettel, den sie zu Hause erhalten, ihre Meinung zum erzielten Ergebnis äussern. Diese Gewerkschaftsarbeit ist ein echter Mehrwert für die Menschen, weil sie mitmachen und mitentscheiden können.

Yves Sancey
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